Die Erben des Zeus by Turow Scott

Autor:Turow, Scott [Turow, Scott]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman-Thriller
ISBN: 9783896675231
Herausgeber: Blessing, Karl Verlag
veröffentlicht: 2015-04-20T00:00:00+00:00

19.

Ihr Ring – 22. Februar 2008

»Shirley Wilhite«, sagte die Stimme an Tims Handy am nächsten Morgen. »Wette, Sie dachten, ich hätte Sie vergessen.« Es war elf Uhr morgens, und Tim saß im Wintergarten und las mal wieder in seinem Buch über griechische Mythologie, während Kai Windings Posaune aus dem Plattenspieler erklang. Sein erster Gedanke war, dass Shirley eine von diesen Witwen sein musste, die ihn ständig unter allen erdenklichen Vorwänden anriefen wie beispielsweise ein Auflauf, der viel zu köstlich war, um allein gegessen zu werden, oder dass sie angeblich nur seinen Anruf erwiderten. »Die haben eine Ewigkeit gebraucht, um die Unterlagen aus dem Archiv zu holen. Alle meinen immer, sie hätten zu viel zu tun. Genau das läuft falsch in unserem Land, wenn Sie mich fragen.«

Er unterhielt sich einen Moment mit ihr, wobei er wie so oft das Gefühl hatte, nicht zu wissen, worum es überhaupt ging. Dann fiel es ihm ein: Sie war von der Firma in Utah, die die Absolventenringe herstellte.

»Zum Glück haben wir damals noch Papier benutzt«, sagte Shirley Wilhite. »Fünf Jahre später hatten wir alles auf Floppy Disks. Kennen Sie die noch? Versuchen Sie heute mal, jemanden zu finden, der noch weiß, was das ist. Easton College, richtig? Wie hieß Ihr Neffe?«

»Gianis.« Er buchstabierte den Namen. In Utah war Paul unbekannt. »Ist übrigens nicht mein richtiger Neffe. Ich nenne ihn bloß so.«

»Das kenne ich. Die Hälfte der Kinder in der Nachbarschaft nennt mich Tante Shirley.«

»Genau.«

»Okay.« Nach einem Moment sagte sie: »Wir haben zwei Gianis.«

»Zwillinge. Ich suche nach Paul.«

»Okay. Also, er hat zwei Ringe gekauft.«

»Zwei?«

»Moment, ich schau mal nach. Ja, genau. Einen Herrenring und einen Damenring. Das gleiche Modell, J46. Mit Emblem. Ich schau mal im Katalog nach.« Er hörte sie blättern. »Nein, den stellen wir nicht mehr her. Ich denke, der K106 sieht ihm am ähnlichsten. Ich schicke Ihnen ein paar Bilder. Benutzen Sie einen Computer?«

»Ein bisschen.«

»Tja, der aktuelle Katalog ist online. Aber ich schicke Ihnen Kopien aus dem alten Katalog, damit Sie wissen, welches Modell er hatte. Haben Sie eine Faxnummer?«

»Könnten Sie mir auch Bilder von dem Damenring schicken? Vielleicht will er den ja auch ersetzen. Und wenn es nicht zu viel Mühe macht, schicken Sie doch gleich auch das Bestellformular mit. Vielleicht braucht er es für die Versicherung.«

»Kein Problem. Mach ich doch gerne.«

Zwei Ringe? Tim war perplex. Am späten Nachmittag war er auf dem Weg in die Innenstadt, um die Faxe abzuholen, die er an ZP hatte schicken lassen. Er kam an dem Haus von Georgia Lazopoulos vorbei, hielt spontan an und klingelte bei ihr.

Sie starrte ihn durch die Windschutztür an. Ihre dunkel geränderten Augen und der Rest ihres dicklichen Gesichts nahmen schlagartig einen mürrischen und vorwurfsvollen Ausdruck an.

»Sie sagten doch, Sie würden mich nicht mehr belästigen.« Ihre Stimme wurde zwar durch die Glasscheibe gedämpft, war aber deutlich. Sie trug das Gleiche wie beim letzten Mal, pinkfarbene Stretchhose und ein schäbiges Rüschentop.

»Ich muss Sie nur kurz etwas zu diesem Absolventenring fragen, den Paul getragen hat.«

»Paul hat keinen Absolventenring getragen«, antwortete sie und schloss die Tür.

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